Der Weg zum legalen Glücksspiel in Deutschland
Von den ersten Spielbanken bis zum aktuellen Glücksspielstaatsvertrag – Die DGGS beleuchtet die gesamte Geschichte des legalen Glücksspiels in Deutschland.
Glücksspiele sind so alt wie die Menschheit selbst und in unserer modernen Gesellschaft fest verankert. Für den Gesetzgeber besteht die Herausforderung darin, einen ausgewogenen gesetzlichen Rahmen zu schaffen – zwischen Regulierung und der Realität menschlichen Verhaltens.
Dabei gilt es, wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen und die inhärente Risikobereitschaft des Menschen anzuerkennen, die im Glücksspiel einen strukturierten Rahmen findet. Im Glücksspielstaatsvertrag ist in diesem Kontext von dem „natürlichen Spieltrieb” die Rede.
In Deutschland ist das Glücksspiel heute in den meisten Formen legal. Der Weg dahin war dabei keineswegs geradlinig. Er ist historisch geprägt von Verboten, Monopolen, Liberalisierungen, regionalen Besonderheiten sowie komplexen und wechselnden Regulierungen.
Das Glücksspiel und die dazugehörige Gesetzgebung sind seit jeher dynamisch und auch heute ist die Debatte über notwendige Anpassungen der Glücksspielregulierung längst nicht abgeschlossen.
Die DGGS Deutsche Gesellschaft für Glücksspiel beobachtet und dokumentiert die fortlaufende Entwicklung. In diesem Beitrag beleuchten wir die Geschichte des legalen Glücksspiels von seinen Anfängen in stationären Spielstätten bis zum Online-Glücksspiel und der heutigen Regulierung durch den Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV 2021).
Zeitstrahl der wichtigsten Ereignisse und Entwicklungen
Die ersten Spielbanken Deutschlands im 18. Jahrhundert
Im gesamten Bundesgebiet gibt es heute 71 staatlich konzessionierte Spielbanken, von denen einige bereits seit ein paar Jahrhunderten existieren. Die deutschen Spielbanken haben ihren Ursprung hauptsächlich in Kurorten, wo sie der Unterhaltung wohlhabender Gäste dienen sollten.
Die älteste Spielbank Deutschlands ist die Spielbank Bad Ems, die 1720 im damaligen Fürstentum Nassau-Diez, heute Rheinland-Pfalz, eröffnet wurde. Die Spielbank begann als ein einzelner Saal im damals neu errichteten Kurhaus, der erstmals als Spielbank verpachtet wurde. 2021 wurde die Spielbank daher sogar zum UNESCO Welterbe erklärt.
Auch andere der heute noch existierenden Spielbanken blicken auf eine lange Geschichte zurück, die bis vor die Gründung des Deutschen Kaiserreichs reicht. Die Spielbank Wiesbaden wurde bereits 1771 eröffnet, die Spielbank Baden-Baden folgte im Jahr 1801, die Spielbank Bad Homburg gibt es seit 1841.
19. und 20. Jahrhundert: Verbote von Spielbanken und Glücksspielen
Der ersten Casino-Blüte im 19. Jahrhundert wurde jedoch schon bald ein jähes Ende gesetzt. Reichskanzler Otto von Bismarck erklärte den Spielbankenbetrieb im Rahmen der Reichsgewerbeordnung von 1871 für illegal, da er das Geschäft mit dem Glück als sittenwidrig und wirtschaftlich problematisch erachtete.
Zu jener Zeit entstand auch der Vorläufer des heutigen Strafgesetzbuches (StGB) inklusive der Paragraphen 284 und 285. Gemäß § 284 drohte jedem, der „aus dem Glücksspiel ein Gewerbe macht”, eine Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren sowie eine Geldstrafe zwischen 300 und 6.000 Mark.
Das Mitwirken an der Veranstaltung eines Glücksspiels, etwa durch das Bereitstellen eines öffentlichen Versammlungsortes, wurde gemäß § 285 mit einer Geldstrafe bis zu 1.500 Mark bestraft.
Mit § 286 wurde zudem die Veranstaltung öffentlicher Lotterien „ohne obrigkeitliche Erlaubniß” unter Strafe gestellt. Vom Verbot ausgenommen waren lediglich „staatliche" Lotterien, die teils schon im 16. oder 17. Jahrhundert von einzelnen Städten oder Kurfürsten etabliert wurden.
Nach dem Ersten Weltkrieg hielt auch die Weimarer Republik an diesem weitgehenden Glücksspiel-Verbot fest und schränkte explizit auch die sich in den 1920er Jahren verbreitenden Geldspielautomaten zunehmend ein.
Mit dem sogenannten Bajazzo-Urteil vom 18.05.1928 stufte das Reichsgericht Automaten mit Glückselementen als Glücksspiel ein, womit diese unter das Verbot fielen. Auch in der Weimarer Republik waren staatliche Lotterien das einzige erlaubte Glücksspiel.
Wiedereröffnung von Spielbanken und Genehmigungspflicht für Automaten
Unmittelbar nach der Machtergreifung lockerten die Nationalsozialisten das Glücksspiel-Verbot teilweise auf. Mit dem Gesetz über öffentliche Spielbanken vom 14.07.1933 wurde die rechtliche Grundlage für die Wiedereröffnung staatlich kontrollierter Spielbanken geschaffen. Das Casino Baden Baden öffnete daraufhin als erste Spielbank bereits im Oktober 1933 erneut seine Türen.
Gleichzeitig aber wurden Geldspielgeräte mit einer Ergänzung der Gewerbeordnung vom 18.12.1933 erstmals genehmigungspflichtig und strikt reguliert, um ihre Verbreitung einzudämmen. Mit dem Gesetz zur Änderung der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich vom 06.07.1938 wurden die Regelungen weiter verschärft und die Aufstellung von Geldspielgeräten auf Jahrmärkte und Schützenfeste beschränkt.
Diese Beschränkung des Automatenspiels blieb noch Jahre bis nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bestehen und sollte erst mit der Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit vom 06.02.1962 aufgelöst werden, indem die gewerbliche Nutzung von Geldspielgeräten in Gaststätten und Spielhallen gestattet wurde.
Was hingegen die Spielbanken betrifft, so blieb ein Casino-Boom ebenfalls für viele weitere Jahre aus. Nicht zuletzt wegen des Zweiten Weltkriegs sollte es bis weit in die späten Vierziger und Fünfziger Jahre dauern, bis wieder mehr Spielbanken den Betrieb aufnahmen.
Die langsame Rückkehr des Glücksspiels nach dem Krieg
In den ersten Nachkriegsjahren war Glücksspiel durch die alliierten Besatzungsmächte praktisch vollständig verboten. Die wenigen Spielbanken, die unter dem Regime der Nationalsozialisten wiedereröffnet worden waren, blieben nach Kriegsende zunächst geschlossen.
Unter der Zustimmung der französischen Besatzungsmacht erhielt die „Kasino Bad Neuenahr Foerster & Co. KG“ am 25.08.1948 die erste Konzession der Nachkriegszeit. Es folgte am 15.12.1948 die feierliche Eröffnung der Spielbank Bad Neuenahr im Bundesland Rheinland-Pfalz.
Am 07.04.1949 und damit ebenfalls noch vor Gründung der Bundesrepublik folgte unter Zustimmung der amerikanischen Besatzungsmacht die Neueröffnung der Spielbank Bad Homburg in Hessen. Am 29.10.1949 folgte dann die Wiedereröffnung der Spielbank Wiesbaden.
Je nach Bundesland kam es in den 50er und 60er Jahren nur sehr langsam und schrittweise zur Eröffnung weiterer Spielbanken. Erst ab den 70er Jahren intensivierten die Länder die Ausarbeitung von Gesetzen, um den Spielbankenbetrieb einheitlicher zu regulieren. Noch heute ist die Regulierung und Kontrolle der Spielbanken Ländersache.
Die meisten Bundesländer im Westen entschieden sich vergleichsweise früh für die Legalisierung von Spielbanken. Die östlichen Bundesländer folgten ebenso wie einige westliche Nachzügler allesamt nach der Wende. Heute gibt es kein deutsches Bundesland, in dem terrestrische Casinos nicht erlaubt sind.
Einheitliche Legalisierung der Spielbanken nach Bundesland in chronologischer Reihenfolge
Nordrhein-Westfalen: Gesetz über die Zulassung öffentlicher Spielbanken im Land Nordrhein-Westfalen vom 19.03.1974
Hamburg: Gesetz über die Zulassung einer öffentlichen Spielbank vom 24.05.1976
Bremen: Gesetz über die Zulassung einer öffentlichen Spielbank vom 20.02.1978
Rheinland-Pfalz: Spielbankgesetz vom 19.11.1985
Hessen: Hessisches Spielbankengesetz vom 21.12.1988
Sachsen-Anhalt: Spielbankgesetz des Landes Sachsen-Anhalt vom 26.06.1991
Sachsen: Gesetz über Spielbanken im Freistaat Sachsen vom 09.12.1993
Baden-Württemberg: Gesetz über öffentliche Spielbanken vom 23.02.1995
Bayern: Gesetz über Spielbanken im Freistaat Bayern vom 26.07.1995
Schleswig-Holstein: Spielbankgesetz des Landes Schleswig-Holstein vom 29.12.1995
Brandenburg: Gesetz über die Zulassung öffentlicher Spielbanken im Land Brandenburg vom 22.05.1996
Berlin: Gesetz über die Zulassung öffentlicher Spielbanken in Berlin vom 08.02.1999
Thüringen: Gesetz über Spielbank und Online-Casino vom 20.02.2004
Niedersachsen: Niedersächsisches Spielbankengesetz vom 16.12.2004
Mecklenburg-Vorpommern: Spielbankgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 17.12.2009
Saarland: Saarländisches Spielbankengesetz vom 01.07.2012
Pferdewetten und Sportwetten im 19. und 20 Jahrhundert
Die zweite große Säule des modernen Glücksspiels sind Wetten auf den Ausgang sportlicher Wettbewerbe. Auch hier gibt es eine lange Rechtsgeschichte und viele Überschneidungen mit historischen, politischen und wirtschaftlichen Ereignissen und Entwicklungen. Der Ursprung der legalen Wette in Deutschland liegt im Pferderennsport.
Zirka 100 Jahre nach der Eröffnung der ersten Spielbanken fanden 1822 auf der Galopprennbahn Bad Doberan an der Ostsee die ersten organisierten Galopprennen mit Vollblütern statt. Dies markierte nicht nur den Beginn des organisierten Galopprennsports in Deutschland, sondern gilt auch als Geburtsstunde der deutschen Pferdewette.
Bei den ersten Pferderennen handelte es sich um gesellschaftliche Ereignisse, die allein dem Adel und wohlhabenden Bürgertum vorbehalten waren. Wetten vor Ort waren zu jener Zeit keinesfalls standardisiert oder reguliert, wie sie es heute sind.
In den Jahrzehnten nach der Eröffnung in Bad Doberan folgten Rennbahnen in Düsseldorf, Hamburg, Bremen, Mülheim, Leipzig, München, Hannover, Hoppegarten und Mannheim.
Beginn und Verbreitung des Totalisators
Der erste Totalisator, ein mechanisches Quotenberechnungssystem basierend auf in einem Pool gesammelter Wetten, entstand schließlich 1870 auf der Rennbahn des Hamburger Renn-Clubs.
Das nur zwei Jahre später von Reichskanzler von Bismarck eingeführte Glücksspielverbot wirkte sich zunächst nicht auf die Pferdewette aus. Erst 1882 wurde der Totalisator als Glücksspiel eingestuft und infolgedessen verboten.
Das Verbot hielt jedoch lediglich bis 1887 stand und wurde dann vom Reichsgericht aufgehoben, da die höheren Gesellschaftsschichten - zu jener Zeit die einzige Klientel der Renn- und Wettveranstaltungen - entsprechend auf die gesetzgebenden Instanzen einwirkten.
In den darauffolgenden Jahren und Jahrzehnten nahmen Pferderennen und die Wetten darauf weiter Fahrt auf, bis am 08.04.1922 schließlich das erste Rennwett- und Lotteriegesetz (RennwLottG) in Kraft trat.
Mit dem Gesetz wurde erstmals eine Steuer auf Einsätze bei Rennwetten, Lotterien und Ausspielungen eingeführt und strafrechtliche Konsequenzen für unerlaubte Wettveranstaltungen definiert. Gewerbsmäßige Buchmacher benötigten zudem fortan eine behördliche Erlaubnis.
Während der Jahre des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges blieb das Rennwett- und Lotteriegesetz weitgehend unverändert, bis es nach der Teilung Deutschlands 1949 ausschließlich von der BRD übernommen wurde.
Fußball-Toto und die ersten Sportwetten
Die Nachkriegsjahre markierten auch den Beginn staatlich organisierter Fußballwetten in Deutschland. Noch während der Besatzung durch die Amerikaner gründete die Bayerische Staatsregierung am 27.04.1948 in München das Bayerische Fußball-Toto. Die anderen Länder der BRD folgten dem Beispiel rasch und gründeten innerhalb von Monaten eigene staatliche Fußball-Toto-Gesellschaften.
Das Fußball-Toto ermöglichte die sogenannten 1X2-Wetten – also Voraussagen darauf, ob das Heimteam gewinnt (1), das Spiel unentschieden endet (X) oder das Auswärtsteam gewinnt (2). Bei der Teilnahme tippen Kunden mit einem Tippschein gleichzeitig auf 13 fest vorgegebene Spiele. Einzelwetten und Ergebniswetten waren nicht Teil des Angebots.
Schon Anfang der 1950er Jahre gruppierten sich die einzelnen Toto-Gesellschaften dann in zwei Blöcke: den Nord-Süd-Block bestehend aus Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg und Niedersachsen, und den Süd-West-Block bestehend aus Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.
Die beiden Blöcke schlossen sich schließlich 1956 zum Deutschen Toto-Block (DTB) zusammen. Dies geschah ein Jahr, nachdem Bayern, Berlin, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein den Deutschen Lotto-Block (DLB) gegründet und das Spiel Lotto 6 aus 49 ins Leben gerufen hatten. Die erste Ziehung hiervon fand am 09.10.1955 statt.
Die Verbindungen zwischen Lotto und Toto wurden in den Folgejahren zunehmend enger, bis beide Verbände schließlich am 01.07.1974 zum Deutschen Lotto- und Totoblock (DLTB) fusionierten. Um das Toto-Spiel attraktiver zu machen, hat der DLTB kurz darauf die Option der 6er-Wette eingeführt und die Gewinnklassen von zwei auf vier erweitert.
Eine DDR-Konzession mit Folgen
Während Spielbanken, Lotto und Toto in der BRD längst fest zur Wirtschaft gehörten, hielt die DDR bis kurz vor ihrem Ende an ihrem weitgehenden Glücksspielverbot fest. Ein erster Versuch, ein Casino zu eröffnen, scheiterte 1987 an finanziellen Engpässen.
Doch im Bereich der Sportwetten wurde während der Wende eine Entscheidung getroffen, die noch viele Jahre später in ganz Deutschland für rechtliche Konflikte, Grauzonen und Unklarheiten sorgen würde:
In der Übergangszeit zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung wurden in der formell noch existierenden DDR unter den Regierungen von Hans Modrow (SED/PDS) und Lothar de Maizière (CDU) erstmals Konzessionen für privatgeführte stationäre Wettbüros vergeben.
Zwar wurden insgesamt nur vier Konzessionen vergeben, diese sollten Jahre später jedoch zum Einfallstor für andere Sportwetten-Unternehmen, insbesondere aus dem Ausland, werden. Eine der Konzessionen spielt im Rückblick auf die Geschichte der deutschen Sportwette eine besonders prominente Rolle.
Am 11.04.1990 erteilte das Gewerbeamt Löbau einem Mann namens Dr. Steffen Pfennigwerth die Konzession für ein Sportwettbüro in Neugersdorf. Nach der Wiedervereinigung erhielt das Wettbüro - ebenso wie die anderen DDR-konzessionierten Betriebe - Bestandsschutz.
Das Wettbüro mit dem Namen Odds Sportdata Dr. Steffen Pfennigwerth würde später den Namen bwin tragen.
Im Westen nichts Neues: Sportwetten-Monopol und Oddset
In der nun vereinten Bundesrepublik Deutschland wurde die rechtliche Lage rund um Sportwetten in den 90er Jahren zunehmend komplizierter. Einerseits setzte Deutschland weiterhin auf das Monopol des klassischen Fußballtotos, andererseits gab es im Osten private Wettbüros wie das von Pfennigwerth und gleichzeitig wuchs die Konkurrenz aus dem Ausland.
Dort war man nämlich bereits einen Schritt weiter: Der Trend ging zu Wetten mit festen Quoten, die flexiblere Wettmöglichkeiten boten. Mitte der 90er-Jahre machten die ersten ausländischen Anbieter nicht mehr vor den deutschen Grenzen halt – zumal es schon damals nicht zwingend eines physischen Standorts bedurfte.
Einer der ersten am deutschen Markt war der 1990 in Österreich gegründete Wettanbieter Interwetten. Das Unternehmen bot in seinen Anfängen Wetten per Telefon an und ging 1997 als einer der ersten Buchmacher auch online.
Im selben Jahr betrat ein weiterer bedeutsamer Akteur den Markt. In Wien gründeten Manfred Bodner und Norbert Teufelberger die Marke Betandwin, die 1998 direkt ins Online-Geschäft einstieg. Die Unternehmer hatten recht schnell ein Auge auf den deutschen Markt geworfen.
Da das Online-Glücksspiel zu jener Zeit aber noch in den Kinderschuhen steckte, blieb der stationäre Markt äußerst relevant. Inmitten der lückenhaften Gesetzeslage war es verhältnismäßig „ungefährlich”, im kommerziellen Sportwetten-Sektor tätig zu sein. Die Konkurrenz zum Toto konnte weitgehend ungehindert und über verschiedene Kanäle anwachsen.
Da die Nachfrage nach Wetten mit fester Quote entsprechend groß war, musste auf Seiten der staatlichen Sportwette eine wirtschaftlich orientierte Lösung her. So gründete die Staatliche Lotterieverwaltung in Bayern schließlich im Februar 1999 die ODDSET Sportwette.
Schon ein Jahr später stiegen die Lotteriegesellschaften aller anderen deutschen Bundesländer mit ein. Offiziell hielt ODDSET fortan das Monopol auf Einzel- und Kombiwetten mit fester Quote, während Toto mit den Jahren zunehmend zu einem Nischenprodukt wurde.
Die frühen 2000er: Internationale Partner und Rechtsstreits
Das Wachstum des Sportwettenmarkts sowohl online als auch im stationären Bereich nahm in den frühen 2000er Jahren weiter an Fahrt auf. Im Jahr 2002 kreuzten sich die Wege von Dr. Steffen Pfennigwerth und den Betandwin-Gründern Bodner und Teufelberger.
Die Österreicher stiegen als sogenannte stille Gesellschafter in Pfennigwerths Unternehmen ein, welches daraufhin seinerseits ins Online-Geschäft einstieg. Zwei Jahre später erfolgte die Umbenennung von Odds Sportdata Dr. Steffen Pfennigwerth in betandwin e.K. Zwei weitere Jahre später, also 2006, verkürzte sich der Markenname schließlich zu bwin.
Die Entstehung von bwin in Deutschland ist dabei exemplarisch für ähnliche internationale Fusionen innerhalb der unklaren deutschen Gesetzeslage. Anbieter aus dem Ausland stützten sich auf die Inhaber der DDR-Konzessionen, um in Deutschland „legal” arbeiten zu können.
In der Praxis ging diese Strategie auf, strafrechtliche Konsequenzen blieben aus. Andere Anbieter, die sich ebenfalls im Markt etablieren wollten, jedoch auf behördlichen Widerstand stießen, sahen darin eine verwaltungsrechtliche Ungleichbehandlung. Wieder andere beriefen sich auf die EU-Dienstleistungsfreiheit, um ihr Geschäft zu legitimieren.
Entsprechend häufig mussten sich deutsche und europäische Gerichte mit dem Konflikt zwischen staatlichem Sportwetten-Monopol und privaten Anbietern auseinandersetzen. Es folgten zahlreiche Urteile, die in ihrer Gesamtheit wieder kein klares rechtliches Bild ergaben.
Beispielsweise urteilte der Hessische Verwaltungsgerichtshof am 9. Februar 2004, dass die von der Stadt Kassel verhängte Untersagung der Veranstaltung von Sportwetten rechtswidrig sei.
Ganz anders entschied der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg am 12. Januar 2005: Er bestätigte die Rechtmäßigkeit einer Untersagungsverfügung gegen ein privat geführtes Wettbüro in Karlsruhe.
Zahlreiche weitere Rechtsstreits folgten und Urteile fielen mal zugunsten des Monopols und mal zugunsten der privaten Anbieter aus.
Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2006
Am 28.03.2006 fällte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) schließlich ein wegweisendes Urteil, das den Grundstein für die späteren Verhandlungen zum ersten Glücksspielstaatsvertrag legte. Das Gericht bestätigte, dass ein staatliches Monopol grundsätzlich zulässig sei. In seiner damaligen Form sei das ODDSET-Monopol jedoch – wie von der Klägerin angefochten – verfassungswidrig.
Ein Monopol lasse sich nur dann rechtfertigen, wenn dieses ausschließlich dem Spielerschutz diene. Die Landeslotterien würden ihr Produkt ODDSET jedoch in großem Umfang bewerben, was wiederum dem Spielerschutz entgegenstehe.
Dem Land Bayern und damit indirekt auch den restlichen 15 Bundesländern wurde ein Ultimatum gesetzt. Bis Ende 2007 sollte das Glücksspielrecht reformiert werden, um diesen Widerspruch zu beseitigen.
Entweder musste also das Monopol konsequent auf den Spielerschutz ausgerichtet werden, was eine Verringerung der Werbeaktivitäten und stärkere Kontrollen bedeuten würde. Oder der Markt müsse für die privaten Anbieter geöffnet werden.
Ein erster Versuch 2008: Der Staatsvertrag zum Glücksspielwesen
Für Bayern und die anderen Bundesländer war klar: Das Monopol sollte bestehen bleiben. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts begannen die Länder, den ersten Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) zu verhandeln. Die Ministerpräsidenten unterzeichneten den Staatsvertrag zum Glücksspielwesen schließlich am 30.08.2007.
Der Vertrag trat am 01.01.2008 in Kraft. Er zielte darauf ab, das Glücksspiel streng zu regulieren, private Anbieter vom Markt auszuschließen und das staatliche Monopol zu sichern. Gemäß § 4 (4) wurde zudem das „Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet” verboten.
Ursprünglich sollte der erste GlüStV bis zum 31.12.2011 gelten. Bis dahin sollten die Länder prüfen, ob die darin enthaltenen Regelungen wirksam sind oder einer Anpassung bedürfen. Zum Ablauf dieser Frist kam es allerdings nicht.
Urteile des EuGH: Deutschlands Monopol nicht mit EU-Recht vereinbar
Schon Jahre vor dem Inkrafttreten des ersten Glücksspielstaatsvertrags hatten mehrere in Deutschland unerwünschte private Wettanbieter langwierige Klagen angestrengt, die im Hintergrund zu den Entwicklungen auf politischer Ebene weiterhin anhängig waren.
Gegenstand der Klagen waren in verschiedenen Ländern und Städten verhängte Untersagungsverfügungen gegen Wettvermittler. Zu nennen sind insbesondere die folgenden zu Beginn noch voneinander unabhängigen Fälle:
1. Winner Wetten GmbH (Tipico):
Am 28.06.2005 untersagte die Stadt Bergheim der Winner Wetten GmbH die Vermittlung von Sportwetten im Auftrag des maltesischen Konzerns Tipico. Das Unternehmen legte Widerspruch ein, der jedoch am 22.09.2005 vom Landrat des Rhein-Erft-Kreises zurückgewiesen wurde.
Unmittelbar danach reichte die Winner Wetten GmbH Klage beim Verwaltungsgericht Köln ein. Dieses entschied am 21.09.2006, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, um die Vereinbarkeit des deutschen Sportwettenmonopols mit dem EU-Recht zu klären.
2. Carmen Media Group Ltd.:
Am 10.02.2006 hatte die Carmen Media Group Ltd. mit Sitz in Gibraltar im Land Schleswig-Holstein eine Anerkennung ihrer Lizenz aus Gibraltar beantragt, um per Internet in Deutschland Sportwetten anbieten zu dürfen. Das Land lehnte diesen jedoch ab.
Daraufhin erhob die Betreiberin am 30.06.2006 Klage beim Verwaltungsgericht von Schleswig-Holstein. Sie argumentierte damit, dass das Sportwettenmonopol gegen EU-Recht verstoße und mit dem freien Dienstleistungsverkehr unvereinbar sei.
Auch dieses Gericht entschied, sich mit dem Thema an den EuGH zu wenden und stellte am 30.01.2008 ein Vorabentscheidungsersuchen.
3. Markus Stoß u.a.:
Parallel wurden in mehreren deutschen Städten gegen weitere private Wettvermittler Untersagungsverfügungen erlassen. Auch in diesen Fällen kam es jeweils zum Widerspruch und einem darauf folgenden langen Rechtsweg.
Zu den Klägern gehörten Markus Stoß, die Avalon Service-Online-Dienste GmbH, Olaf Amadeus Wilhelm Happel, Kulpa Automatenservice Asperg GmbH, SOBO Sport & Entertainment GmbH und Andreas Kunert.
Die Kläger verteilten sich auf die Verwaltungsgerichte Gießen und Stuttgart. Beide Gerichte wandten sich ihrerseits an den EuGH, der schließlich aufgrund der hohen Übereinstimmung der Fälle alle Aktenzeichen unter dem Namen „Markus Stoß u. a.“ (C-316/07 u. a.) zusammenfasste.
Der Europäische Gerichtshof hat die verschiedenen ursprünglich voneinander unabhängigen Fälle schließlich gebündelt und am selben Tag entschieden. Am 08.09.2010 urteilte das Richtergremium der Großen Kammer des EuGH in allen Fällen, dass das in Deutschland praktizierte Sportwettenmonopol nicht mit EU-Recht vereinbar sei.
Der 1. Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GlüÄndStV 2012)
Erneut sahen sich die Länder gezwungen, die geltende Glücksspielgesetzgebung zu reformieren. Ein weiteres Festhalten am Monopol war nun nicht mehr möglich. Erstmals arbeiteten die Innenministerien darauf hin, den deutschen Sportwettenmarkt – zumindest eingeschränkt – zu öffnen.
Die Verhandlungen zum 1. Glücksspieländerungsstaatsvertrag waren keineswegs unkompliziert. Grob teilten sich die Länder in zwei Lager: Einige Bundesländer wünschten sich einen möglichst liberalen Markt, andere wiederum möglichst wenig Abweichung vom bisherigen Status Quo.
Am 15.12.2011 schließlich unterzeichneten 15 von 16 Bundesländern den 1. Glücksspieländerungsstaatsvertrag, der am 01.07.2012 in Kraft treten sollte. Das Land, welches den Vertrag grundsätzlich ablehnte, war Schleswig-Holstein. Dort hielt man die mit dem GlüÄndStV 2012 beschlossenen Veränderungen für nicht weitreichend genug.
So sollten zwar erstmals Konzessionen für private Wettanbieter inklusive Online-Geschäft vergeben werden, die Zahl dieser sollte jedoch auf 20 begrenzt werden. Dies wurde als eine Experimentierklausel bezeichnet, die zunächst für sieben Jahre gelten sollte.
Die ersten Online-Casinos: Schleswig-Holsteins Sonderweg
Während (Online-)Sportwetten in der politischen und juristischen Diskussion über all die Jahre vordergründig waren, wuchs eine weitere Säule der Glücksspielindustrie rasant an. Online-Casinos und Online-Poker verbreiteten sich schon seit Anfang der 2000er Jahre wie ein Lauffeuer und dennoch wurde ihnen in der Politik nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Online-Casinos und virtuelle Poker Rooms existierten nicht nur, sie erlebten einen Boom. Legal waren sie nicht, bis zum Staatsvertrag von 2008 aber auch nicht eindeutig illegal. Das dort erstmals verankerte Pauschalverbot von Glücksspielen im Internet wurde auch im Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag (GlüÄndStV) wortwörtlich übernommen.
Insbesondere ausländische Anbieter ließen sich davon aber nicht abschrecken. Ebenso wie die Vermittler von Sportwetten beriefen sich auch die Casino- und Poker-Anbieter auf EU-Recht, um ihr Angebot für deutsche Spieler zu rechtfertigen.
Um mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten, ebnete Schleswig-Holstein als einziges deutsches Bundesland noch vor Inkrafttreten des GlüÄndStV den Weg für die ohnehin bereits am weitesten verbreiteten Formen des Online-Glücksspiels, konkret Online-Sportwetten, Online-Poker und Online-Casino.
In Erwartung des ihrer Ansicht nach viel zu restriktiven Glücksspielstaatsvertrags verabschiedete die schleswig-holsteinische Landesregierung aus CDU und FDP am 20.09.2011 das Gesetz zur Neuordnung des Glücksspiels.
Dieses trat zum 01.01.2012 in Kraft und ermöglichte eine im Vergleich zum Staatsvertrag unbegrenzte Konzessionsvergabe, und zwar nicht nur für Online-Sportwetten, sondern auch für Online-Casino und Online-Poker.
Die ersten Konzessionen und das Ende des Sonderwegs
Zahlreiche Anbieter aus dem In- und Ausland bewarben sich in der Folge um eine Schleswig-Holstein-Lizenz und Anfang Mai 2012 wurden die ersten drei Lizenzen an private Sportwettenanbieter vergeben. Ungewissheit über deren Zukunft folgte kurz darauf am 06.05.2012, als es infolge der Landtagswahlen zum Regierungswechsel kam.
Die sogenannte „Dänen-Ampel“ aus SPD, Grünen und SSW bildete sich und der Anfang vom Ende des Sonderwegs begann. Nichtsdestoweniger wurden im Dezember 2012 unter dem noch geltenden Gesetz zur Neuordnung des Glücksspiels schließlich doch noch die ersten 12 Lizenzen für Online-Casino und Online-Poker vergeben. Diese gingen an:
888 Germany Ltd (888 Poker), bet-at-home Internet Limited, Hillside Limited (bet365), Polco Ltd. (betfair), Electraworks Kiel Ltd. (bwin), Cashpoint Malta Limited, Ladbrokes International PLC, Personal Exchance International Limited (mybet), OnlineCasino Deutschland GmbH, REEL Germany Limited (pokerstars), Tipico Germany Limited und Skill on Net Limited.
Wenige weitere Lizenzen wurden im Januar und Februar 2013 vergeben. In die Liste legaler Online-Casinos reihten sich unter anderem die Marken Löwenplay, Wunderino und Vera&John ein. Doch schon im Februar 2018 machte die neue Landesregierung wie angekündigt eine Kehrtwende und schloss sich dem GlüÄndStV an.
Das Gesetz zur Neuordnung des Glücksspiels wurde am 08.02.2013 entsprechend aufgehoben und somit konnten fortan auch keine weiteren Online-Glücksspiel-Lizenzen im Land erteilt werden. Die bis dahin ausgestellten Lizenzen sollten jedoch ihre Gültigkeit behalten.
Diese war vom Tag der Erteilung auf genau sechs Jahre festgelegt. Entsprechend würden die Casino-Lizenzen Ende 2018 bzw. Anfang 2019 offiziell auslaufen.
Streit um die 20 Sportwetten-Lizenzen: Das Scheitern des Staatsvertrags
Während das legale Online-Glücksspiel in Schleswig-Holstein nun eine Tatsache war, bahnte sich im Rest des Landes in Sachen Online-Sportwetten das nächste große Problem an. Nach Inkrafttreten des Glücksspieländerungsstaatsvertrags startete am 08.08.2012 die europaweite Ausschreibung der 20 Konzessionen.
Das Bewerbungsfenster schloss am 12.09.2012. Von ursprünglich 73 Bewerbern schafften es im Anschluss zunächst 41, dann 35 in die nächste Runde. Im Rahmen des Auswahlverfahrens wurden die Bewerber anhand verschiedener Kriterien miteinander verglichen und mit Punkten „benotet”.
Dieser Prozess zog sich über zwei Jahre, bis alle 35 Bewerber schließlich am 02.09.2014 per Schreiben über die Entscheidung des zuständigen Glücksspielkollegiums in Hessen informiert wurden.
Entsprechend der Begrenzung der Konzessionen erhielten genau 20 Bewerber eine Zusage mit der Information, dass ihre Konzession am 18.09.2024 erteilt werden würde. Die restlichen 15 erhielten Ablehnungsbescheide.
Konzessionsvergabe per Eilverfahren gestoppt
Noch bevor die 20 Konzessionen tatsächlich vergeben werden konnten, veranlasste eine der abgelehnten Bewerberinnen am 12.09.2014 beim Verwaltungsgericht Wiesbaden ein Eilverfahren, um gegen ihren Ablehnungsbescheid vorzugehen. Bei der Antragstellerin handelte es sich um eine GmbH mit Sitz in Österreich, die im „Konzessions-Ranking” auf Platz 21 lag.
Unmittelbar darauf erließ das Gericht am 18.09.2014 zunächst einen Hängebeschluss, mit dem das Hessische Ministerium des Innern und für Sport dazu aufgefordert wurde, vorläufig keine der 20 zugesagten Konzessionen zu vergeben.
Mit Beschluss vom 05.05 2015 bestätigte das Gericht schließlich, dass das Auswahlverfahren mit „erheblichen rechtlichen Bedenken” einhergehe. Die Konzessionsvergabe durfte daher weiterhin nicht erfolgen, ein Hauptsacheverfahren sollte folgen.
Endgültiges Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
Zur Hauptsache kam es aber nicht. Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport legte gegen den Beschluss unmittelbar Beschwerde ein, womit der Fall in nächsthöherer Instanz beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel verhandelt werden musste.
Doch auch der VGH kam in seinem Beschluss vom 16.10.2015 zu dem Schluss, dass das Konzessionsverfahren in der bestehenden Form rechtswidrig sei.
„Die im Glücksspielstaatsvertrag erfolgte Zuweisung von Entscheidungsbefugnissen an ein aus 16 Vertretern der Länder bestehendes Glücksspielkollegium ist mit dem Bundesstaatsprinzip und dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes nicht vereinbar.”
Damit war nicht nur das Konzessionsvergabeverfahren, sondern der komplette Glücksspieländerungsstaatsvertrag endgültig gescheitert. Die Länder mussten sich also erneut zusammensetzen, um ein Regelwerk zu erarbeiten, das dieses Mal sowohl verfassungskonform als auch mit dem EU-Recht vereinbar sein würde.
Zweiter Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages
Erneut gab es unter den Ländern große Diskussionen darüber, wie viel liberaler der nächste Glücksspielstaatsvertrag gegenüber dem vorherigen sein sollte. So kam im März 2017 ein finaler Entwurf zustande, der allerdings wieder nur punktuelle Änderungen gegenüber dem ersten GlüÄndStV aufwies.
Kern des Zweiten Staatsvertrags zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrags (auch zu finden unter Zweiter Glücksspieländerungsstaatsvertrag) war eine Übergangsregelung für alle 35 Bewerber auf die Sportwettenkonzessionen.
Ihnen sollte vorläufig die Tätigkeit erlaubt werden, wobei hierfür eine Sicherheitsleistung in Höhe von 2,5 Mio. € zu erbringen sein würde. Es handelte sich damit um eine rechtlich formelle Duldung ihrer Betriebe.
Bis zum 31.12.2017 hatten die 16 Länder Zeit, den neuen Staatsvertrag zu ratifizieren, der dann zum 01.01.2018 in Kraft treten würde. Anders als beim Glücksspielstaatsvertrag von 2012 mussten nicht mehr nur mindestens 13, sondern alle Bundesländer diesem zustimmen.
Schleswig-Holstein – jetzt mit einer Landesregierung aus CDU, Grüne und FDP – weigerte sich ein zweites Mal, den Staatsvertrag zu unterzeichnen. Für das Land, welches seit 2013 von erheblichen Steuereinnahmen aus dem Online-Glücksspiel profitiert hatte, war der Zweite GlüÄndStV, der weiter am Verbot von Online-Casinos festhielt, somit undenkbar.
Neben Schleswig-Holstein lehnte noch ein weiteres Bundesland den Vertrag ab. Auch Nordrhein-Westfalen, welches an Stelle von Hessen die Glücksspielaufsicht und Konzessionsvergabe hätte übernehmen sollen, erachtete das geplante Gesetz als zu strikt.
Somit scheiterte auch der Zweite Staatsvertrag zur Änderung des Glücksspielstaatsvertrages noch vor seinem Inkrafttreten.
Auslaufen der Online-Casino-Lizenzen und Übergangsregelung
Weiterhin befanden sich die Sportwettenanbieter in einer rechtlichen Grauzone. Sie waren nach wie vor nicht offiziell legal, wurden aber geduldet und nicht strafverfolgt. Indes brach für einen Großteil der in Schleswig-Holstein lizenzierten Online-Casinos und Online-Poker-Anbieter das letzte Gültigkeitsjahr ihrer Lizenz an.
Die Glücksspiel-liberale Landesregierung beabsichtige keineswegs, die Lizenzen klanglos auslaufen zu lassen und damit auf die beständigen Steuereinnahmen zu verzichten. Allerdings schaffte sie es nicht rechtzeitig, ein neues Gesetz auf den Weg zu bringen.
Im Dezember 2018 schlossen die ersten Online-Casinos ihre virtuellen Türen, gefolgt von weiteren im Januar und Februar 2019. Einige der Anbieter, die zusätzlich über eine EU-Lizenz verfügten, blieben praktisch aber unverändert zugänglich.
Noch im Februar desselben Jahres betonte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU in Schleswig-Holstein, Hans-Jörn Arp, dass seine Koalition auf Hochtouren an einer Lösung arbeite.
Diese folgte tatsächlich auch schon wenige Monate später. Mit dem Gesetz zur Übergangsregelung für Online-Casinospiele vom 11.06.2019 wurden die abgelaufenen Lizenzen erneuert und bis März 2021 verlängert. Neue Lizenzen sollten aber nicht ausgestellt werden.
Der Dritte Glücksspieländerungsstaatsvertrag
Außerhalb Schleswig-Holsteins stagnierte die Glücksspielgesetzgebung also in den Jahren 2018 und 2019. Die Sportwetten-Anbieter wurden weiterhin geduldet, während Online-Casinos und Poker-Plattformen erneut in eine Grauzone fielen. Zwar war der 2. GlüÄndStV nie in Kraft getreten, der 1. GlüÄndStV wurde aber formell auch nie außer Kraft gesetzt.
Dies sollte nun mit dem Dritten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (3. GlüÄndStV) vom 18.04.2019 geändert werden. Der neue Änderungsstaatsvertrag, der am 01.01.2020 in Kraft trat, sollte als Übergangsregelung fungieren und daher mit einer befristeten Geltungsdauer bis zum 30.06.2021 verabschiedet werden.
Zum Zeitpunkt der Ausarbeitung des 3. GlüÄndStV war von den Ländern bereits eine bundesweite Neuregulierung des Glücksspiels für das Jahr 2021 beabsichtigt. Aus diesem Grund haben alle 16 Bundesländer und damit auch erstmals Schleswig-Holstein den Vertrag ratifiziert, obwohl dieser weiterhin ein Verbot von Online-Glücksspielen beinhaltete.
Die verlängerten Schleswig-Holstein-Lizenzen blieben davon unberührt. Was den Bereich der Sportwetten betrifft, so hob die Ministerpräsidentenkonferenz ebenfalls mit Beschluss vom 18.04.2019 die Befristung der Experimentierklausel auf, wodurch nun erstmals eine unbefristete Erteilung von Konzessionen möglich wurde.
2020: Die ersten Sportwetten-Konzessionen werden ausgestellt
Damit endete die formelle Duldung der Sportwetten-Anbieter, die nun zwingend einer Konzession bedurften, um weiterhin im deutschen Markt aktiv sein zu dürfen. Schon im Januar 2020 gingen beim Regierungspräsidium Darmstadt eine Reihe entsprechender Anträge ein.
Die Bearbeitung der Anträge seitens des Glücksspielkollegiums lief jedoch zunächst schleppend, was gravierende Folgen hatte. So legte eine österreichische Wettanbieterin beim Verwaltungsgericht Darmstadt eine Beschwerde gegen das Konzessionsvergabeverfahren ein.
Sie monierte, dass das Verfahren intransparent und diskriminierend sei. Zum einen seien ausschließlich die in Deutschland bereits aktiven Anbieter frühzeitig über das Konzessionsverfahren informiert worden. Zum anderen habe es keinen einheitlichen Zeitpunkt für den Markteintritt aller Konzessionsanwärter gegeben.
Zum Entsetzen der Sportwetten-Branche stoppte das VG Darmstadt per Hängebeschluss vom 01.04.2020 das Konzessionsvergabeverfahren. Das Land Hessen legte unmittelbar Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof ein und informierte die Branche Anfang Mai, dass die Anträge in Erwartung einer Klärung dennoch weiter bearbeitet würden.
Mit Beschluss vom 09.10.2020 erklärte der VGH Kassel schließlich den Beschluss des VG Darmstadts für wirkungslos. Noch am selben Tag wurden die ersten 15 Sportwettenkonzessionen erteilt, viele weitere folgten in den darauffolgenden Wochen und Monaten.
Der Glücksspielstaatsvertrag 2021
Parallel zum verhältnismäßig kurzen Rechtsstreit um die Sportwetten-Konzessionen arbeiteten die Länder an der Ausfertigung des Staatsvertrags zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland, kurz: Glücksspielstaatsvertrag 2021 (GlüStV 2021).
Am 18.05.2020 reichte die nordrhein-westfälische Staatskanzlei den finalen Vertragsentwurf zur Notifizierung bei der Europäischen Kommission ein. Da innerhalb der dreimonatigen Stillhaltefrist keine formellen Einsprüche seitens der Kommission erhoben wurden, stand dem Inkrafttreten aus EU-rechtlicher Perspektive nichts im Wege.
Am 29.10.2020 unterzeichneten dann im Rahmen der Jahreskonferenz der Ministerpräsidenten die Regierungschefs aller 16 Bundesländer den Vertrag, der am 01.07.2021 in Kraft treten würde.
Ebenso wie seine Vorgänger ab 2012 definiert der Vertrag fünf gleichrangige Ziele:
- Verhinderung von Spiel- und Wettsucht und die Schaffung wirksamer Suchtbekämpfung
- Lenkung des natürlichen Spieltriebs in den regulierten Markt und die gleichzeitige Bekämpfung des Glücksspiel-Schwarzmarkts
- Gewährleistung von Spieler- und Jugendschutz
- Prävention gegen Betrug und Begleitkriminalität
- Abwehr von Gefahren für die Integrität sportlicher Wettbewerbe und der Wetten darauf
Wenngleich die Ziele die gleichen blieben, ging mit dem GlüStV 2021 erstmals eine bundesweite Liberalisierung des Online-Glücksspiels einher. Neben den Vermittlern von (Online-)Sportwetten wurden erstmals auch Online-Casinospiele, virtuelle Automatenspiele (Online-Slots) und Online-Poker legalisiert.
Die verschiedenen Glücksspielsparten werden dabei strikt voneinander getrennt. So dürfen Online-Slots ausschließlich in Online-Spielotheken angeboten werden, die über eine bundesweite Lizenz, bzw. „Erlaubnis”, verfügen. In den Online-Spielotheken dürfen keine anderen Spielformen bereitgestellt werden.
Online-Casinospiele wie Roulette oder Blackjack hingegen dürfen nur in Online-Casinos angeboten werden. Dabei gibt es keine bundesweit gültigen Konzessionen für einzelne Online-Casinos. Vielmehr kann jedes Bundesland individuell ein Gesetz auf den Weg bringen, mit welchem es Online-Casinospiele innerhalb der eigenen Landesgrenzen legalisiert.
Erste regionale Online-Casinos 2024
Die zulässige Gesamtzahl der Online-Casino-Konzessionen richtet sich dabei nach der jeweiligen Anzahl stationärer Spielbanken-Konzessionen. Tatsächlich haben noch immer nicht alle Bundesländer ein Interesse daran, Online-Casinos zu legalisieren. Mehrere Bundesländer haben zwar die nötige landesgesetzliche Grundlage geschaffen, im Anschluss daran aber noch keine tatsächliche Konzessionierung durchgeführt.
Schleswig-Holstein
Als erstes Bundesland hat Schleswig-Holstein mit dem Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrages zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland am 02.02.2022 Online-Casinospiele legalisiert. Das Land hat auf ein Multi-Lizenz-System gesetzt und schließlich am 18.09.2024 vier Konzessionen an privat geführte Unternehmen vergeben.
Nordrhein-Westfalen
Kurz darauf verabschiedete Nordrhein-Westfalen am 23.02.2022 das Gesetz über die Zulassung von Online-Casinospielen im Land Nordrhein-Westfalen, welches ebenfalls die Erteilung mehrfacher Konzessionen vorsieht. Bislang ist davon allerdings noch keine erteilt worden.
Thüringen
In Thüringen trat am 17.03.2022 eine Änderung des Thüringer Spielbankgesetzes (ThürSpbkG) in Kraft, die bereits am 18.11.2021 beschlossen worden war und ebenfalls eine Legalisierung von Online-Casinospielen innerhalb der Landesgrenzen vorsieht. Anders als Schleswig-Holstein und NRW hat sich Thüringen für ein Staatsmonopol entschieden.
Ein anderes Modell ist in dem Bundesland tatsächlich gar nicht möglich, da Thüringen das einzige deutsche Bundesland ohne terrestrische Spielbanken ist. Somit kann nur das Land selbst, bzw. die Thüringer Staatslotterie LOTTO Thüringen in naher Zukunft Monopol-Anbieter von Online-Casinospielen werden.
Bayern
Auch Bayern hat sich früh für ein legales Online-Casino-Angebot entschieden und am 30.03.2022 entsprechende Änderungen am eigenen Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (AGGlüStV) und des bayerischen Spielbankgesetzes (SpielbG) vorgenommen.
Mit der Lizenzvergabe war Bayern schließlich sogar schneller als Schleswig-Holstein und hat am 15.01.2024 die erste Konzession vergeben. Allerdings hat sich das Land ebenfalls für ein Monopolmodell entschieden. Die einzige Anbieterin von Online-Casinospielen ist die Staatliche Lotterie- und Spielbankverwaltung.
Hessen
Ein weiteres Land, welches den Weg für Online-Casinospiele frei geräumt hat, ist Hessen. Am 17.11.2022 verabschiedete der Landtag das Hessisches Gesetz über Spielbanken und Online-Casinospiele (HSpielbOCG). Dieses sieht eine einzige Konzession unter staatlicher Beteiligung vor, die konkret an die Spielbankgemeinde Bad Homburg erteilt werden soll. Bislang ist die Konzessionsvergabe nicht erfolgt.
Baden-Württemberg
Deutlich später hat Baden-Württemberg am 19.02.2025 im Rahmen der 116. Landtagssitzung eine Änderung seines Landesglücksspielgesetzes beschlossen, mit welcher Online-Casinospiele im Land legal werden sollen. Auch dieses Bundesland hat sich für ein Monopolmodell entschieden und die Staatliche Toto-Lotto GmbH als künftige Konzessionsinhaberin festgelegt.
Brandenburg
Eine etwas schwammige Gesetzeslage liegt in Brandenburg vor. Das Land hatte bereits am 23.06.2021 das Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrages zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland im Land Brandenburg beschlossen. Es enthält Änderungen am Spielbankengesetz, die festlegen, „dass im Land Brandenburg Online-Casinospiele erlaubt werden können”.
Aus dem Gesetzestext lässt sich darüber hinaus ableiten, dass auch in Brandenburg nur ein staatliches Monopol in Frage kommt. Dieses würde an die Brandenburgische Spielbanken GmbH & Co. KG, eine hundertprozentige Tochter der landeseigenen Land Brandenburg Lotto GmbH gehen.
Das Gesetz ist insofern ungenau, als es Spielbanken und Online-Casino nicht direkt voneinander trennt. An mehreren Stellen wurde lediglich der Zusatz eingefügt, dass Sätze oder Vorgaben bezogen auf Spielbanken „entsprechend für das Online-Casino Angebot gelten”.
Evaluierung und Zukunft der deutschen Glücksspiel-Gesetze
Wie im Glücksspielstaatsvertrag 2021 festgelegt, sollen dessen Auswirkungen in zwei Stufen evaluiert werden. Ein erster Zwischenbericht sollte bis zum 31.12.2023 erfolgen, ein zusammenfassender Bericht schließlich bis spätestens zum 31.12.2026. Im Anschluss soll die Evaluierung alle fünf Jahre erfolgen.
Dabei soll fortlaufend geprüft werden, wie sich die mit dem Staatsvertrag eingeführten Regelungen, Vorgaben und Limits insbesondere auf die Ausbreitung illegaler Glücksspiele auswirken. Die Evaluierung sollte unter Mitwirkung der Gemeinsamen Glücksspielbehörde der Länder (GGL) und des Fachbeirats erfolgen.
Der von den Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder verfasste und im Januar 2024 veröffentlichte Zwischenbericht fiel mit gemischtem Urteil aus. Die Regulierung habe hinsichtlich der Kanalisierung der Spieler in den regulierten Markt Fortschritte gemacht, der Vollzug gegen illegale Anbieter sei aber weiterhin schwierig.
Während der GlüStV 2021 in naher Zukunft weiterhin als Grundgerüst bestehen bleibt, ist durchaus zu erwarten, dass einzelne Regelungen weiter angepasst werden. Die deutsche Glücksspiel-Landschaft und die damit verknüpfte Gesetzgebung bleiben dynamisch und in fortlaufendem Wandel.
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überarbeitet am: Mittwoch, 23. April 2025