Lootboxen: Schleichender Einstieg ins Glücksspiel oder harmloser Freizeitspaß?
Experten-Diskussion über Lootboxen: Sind sie ein Einstieg ins Glücksspiel oder harmloser Freizeitspaß?
Der Behörden Spiegel hat am Montag, den 24. April zu einem Online-Seminar geladen. Thema der Veranstaltung war „Lootboxen: Schleichender Einstieg ins Glücksspiel oder harmloser Freizeitspaß?“. Der Veranstalter Robert Hess vom Behörden Spiegel lud Experten aus Politik, Jurisprudenz und der Glücksspiel-Branche ein, um über dieses Thema zu diskutieren.
Die geladenen Gäste waren Fabian Gramling von der CDU/CSU Bundestagsfraktion und Marcel Hafke aus dem Landtag Nordrhein-Westfalen (FDP), der auch als Sprecher der Kinderschutzkommission in NRW fungiert. Weitere Beteiligte waren der Rechtswissenschaftler und Spezialist für Glücksspiel und E-Sport Dr. Andreas Woerlein von Melchers Rechtsanwälten sowie Axel Weber, Pressesprecher und Verantwortlicher für verantwortungsvolles Glücksspiel bei WestLotto.
Games-Branche distanziert sich klar vom Glücksspiel
Thematisiert werde der Wirtschaftszweig Gaming, der in Deutschland und Europa zu den innovativsten zähle, so Hess. Der Umsatz der Branche belaufe sich auf 220 Mrd. €. Lootboxen generierten davon einen Umsatz in Höhe von 4,2 Mrd. €.
Hess bemerkte, dass auch der Deutsche Games-Verband sowie die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) zu der Veranstaltung geladen worden seien. Allerdings lehnte der Verband die Einladung mit folgendem Wortlaut ab:
„... Games haben mit Glücksspiel nichts zu tun. Das sieht man beispielsweise an uns als Verband mit über 400 Mitgliedern, bei dem Unternehmen aus dem Bereich Glücksspiel explizit ausgeschlossen sind. Die Art der von Ihnen geplanten Veranstaltung ist insbesondere durch die direkte Beteiligung des Bereichs Glücksspiel in unseren Augen nicht sinnvoll konzipiert und trägt zu der beschriebenen problematischen Vermischung bei…“
Eine ähnliche Antwort habe auch die USK formuliert. Die Sprecherin der verantwortlichen Stelle für die Altersfreigabe von Videospielen habe die Frage gestellt, wie es zu einer Einladung eines Vertreters aus der Glücksspiel-Branche gekommen sei.
Gaming & Gambling: Alle Parteien müssen an einen Tisch
Axel Weber bezog zu diesen Aussagen Stellung. WestLotto sei es ein Anliegen, Diskussionen mit allen Beteiligten zu führen. Dazu gehörten auch die Anbieter aus der Games-Industrie. Die Nichtbeteiligung an diesen Diskussionen gehöre nicht zum Weg von WestLotto.
Das Unternehmen kämpfe nicht gegen Lootboxen. Vielmehr sollen erwachsene Spieler frei entscheiden können, ob sie sich am Glücksspiel beteiligen wollten, ohne dass sie bereits im Jugendalter glücksspielähnlichen Elementen verfallen seien. Auffallend sei, dass die Anzahl junger Erwachsener mit problematischem Spielverhalten stark angestiegen sei. Es müsse also bereits vorher ein Kontakt zu Glücksspiel gegeben haben.
„Erhebungen zu diesen Games zeigen deutlich, es gibt glücksspielähnliche Elemente, die in Games verbaut und Kindern und Jugendlichen zugänglich sind.“
Daher stehe es auch außer Frage, dass ein Austausch zwischen Anbietern, Spielschützern, Medien und Politik erforderlich sei. Es müssten sich aus diesem Grunde alle Parteien an einen Tisch setzen.
Weber führte weiter aus, dass der Glücksspielstaatsvertrag 2021 (GlüStV) nicht auf alles eine Antwort gegeben habe. So sei nicht klar, ob glücksspielähnliche Elemente in Games tatsächlich unter die Definition Glücksspiel fielen. Nicht offen zu sein für Diskussionen könne nicht die Lösung sein.
Dem schloss sich auch Woerlein an. So seien Wetten auf E-Sport derzeit nicht gestattet, da E-Sport offiziell nicht als Sport gelte. Dennoch sei es problematisch, dass es viele E-Sportler gebe, die mit Glücksspiel-Betreibern kooperierten und Werbung betrieben. Der GlüStV treffe diesbezüglich keine konkrete Aussage.
Glücksspielähnliche Elemente: Wie können Kinder geschützt werden?
Gramling erklärte, es sei positiv, dass die Games-Branche ein so großes Wachstum habe verzeichnen können. Allerdings gebe es auch Schattenseiten. So seien laut einer DAK-Studie aus dem Jahre 2019 rund 500.000 Jugendliche Risiko-Gamer. 2023 hätten die Gamer bereits rund 5 Mrd. € in Ingame-Käufe investiert. Dies sei ein riesiger Markt.
Der CDU-Abgeordnete äußerte sich zu der Reaktion seitens des Games-Verbands. So dürfe man die Augen nicht verschließen, wenn es um die Problematik der Ingame-Käufe gehe.
Weber fügte hinzu, dass es zahlreiche Schnittstellen zwischen Gaming und Gambling gebe. Es müsse mehr geforscht werden, nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern und Jugendlichen.
Die USK mache es sich hier zu leicht. Bei FIFA 23, einem Spiel ohne Altersbeschränkung, seien glücksspielähnliche Elemente vorhanden. So müssten Ingame-Käufe getätigt werden, um bei diesem Spiel weiterzukommen. Es könne nicht sein, dass Elemente vorhanden seien, die im Erwachsenen-Glücksspiel streng reguliert seien, Kindern jedoch in Games zugänglich seien.
Diese Thematik gehöre in die Parlamente, so Hafke. In anderen Ländern seien Lootboxen bereits verboten. In-App-Käufe seien zunächst legitim. Aber es dürfe nicht dem Zufall überlassen werden, wodurch Sucht ausgelöst werde. Eine Möglichkeit sei, dass Unternehmen gewisse Transparenzen verfügbar machen, damit der Kunde wisse, was er erwerbe.
Es müsse zu einem Diskussionsanstoß kommen, der zu einem einheitlichen Rahmen führe. Auf der einen Seite sollten den Spielern die Käufe zur Verfügung stehen, aber gleichzeitig müsse der Kinder- und Jugendschutz gewährleistet sein.
Andere Länder und andere Ansätze
Andere Länder seien viel weiter, erklärte Hess. Die Niederlande betrachteten Lootboxen als Glücksspiel. Auch Belgien habe Ingame-Käufe stark eingeschränkt. Die USA hätten bereits Gesetzesentwürfe veröffentlich und auch Australien sowie Großbritannien hätten Untersuchungen eingeleitet.
Alle Länder seien sich einig, dass Lootboxen eine Form des Glücksspiels seien. Allerdings seien Verbote keine gute Lösung, denn sie seien schwer zu kontrollieren. Es müssten andere Wege gefunden werden.
Klagewelle gegen Games-Anbieter?
Der Jurist Dr. Woerlein zeigte den Unterschied zwischen Lootboxen und dem Glücksspiel auf. Beim klassischen Glücksspiel könne der Spieler alles verlieren und erhalte keine Gegenleistung. Beim Erwerb von Lootboxen bekomme der Spieler ein Objekt.
Die Gerichte müssten am Ende darüber entscheiden. Ein Gedanke sei die Einbindung von Lootboxen in den GlüStV. Zum Beispiel könne festgelegt werden, wie viel Geld pro Spieler höchstens in Lootboxen investiert werden dürfe.
Gegen Online-Spielotheken gebe es eine Klagewelle. Spieler forderten ihre Verluste ein, die sie beim Spiel erlitten hätten. Das könnte auch im Games-Bereich passieren, wenn nicht reguliert werde. Eine Branche, die jahrelang gefördert worden sei, könne dadurch Schaden nehmen.
Kinder gäben hohe Summen für Ingame-Käufe aus, weil Eltern die Kreditkarte freigeschaltet hätten, ergänzte Hafke. Glücksspielbetreiber auf der anderen Seite hätten eine Präventionspflicht und müssten Spieler sperren, die zu viel in ihr Spiel investierten.
Das sei gut. Es sei aber schwer, dies in den Gaming-Bereich zu transferieren, z.B. durch zeitliche Beschränkungen. Hier seien die Eltern in der Verantwortung. Nur in Extremfällen könne der Staat eingreifen. Generelle Verbote seien allerdings nicht zielführend. Ingame-Käufe seien zunächst ein legitimes Geschäftsmodell.
Abschließende Gedanken zu Lootboxen, Gaming und Glücksspiel
Woerlein erachte es als notwendig, dass der Games-Verband in die Diskussion eintrete. Es könnten sonst Regeln festgelegt werden, ohne dass der Verband mitgewirkt habe.
Gramling sagte abschließend zur Glücksspielregulierung, dass man vor allem auf den illegalen Bereich schauen solle. Die Menschen müssten in den legalen Bereich gebracht werde. Auf der anderen Seite dürfe die in Deutschland noch recht junge Branche nicht erstickt werden. Es müsse genügend Raum gelassen werden,
Dem schloss sich auch Hafke an. Es sei nicht klug, alles politisch zu regeln. Es gebe auch andere Ebenen. Erforderlich seien jedoch Regelungen zu Spielen mit Glücksspielelementen. Zudem müssten Eltern und Schulen befähigt werden, damit umzugehen. Er sei auch für die Einführung digitaler Ansätze in den Kitas. Präventionsarbeit führe dazu, dass Kinder besser mit den Spielen umgehen könnten. Zugleich entstehe auch ein Verständnis im Umgang mit Geld.
Weber sagte, die digitalen Camps von WestLotto leisteten bereits gute Aufklärungsarbeit in den Schulen. Es müssten zudem Portale geschaffen werden, die alle relevanten Informationen böten. Dort müssten alle relevanten Informationen gebündelt und abrufbar zur Verfügung gestellt werden. Es könne nicht das Ziel sein, alles zu regulieren und zu verbieten. Das Spiel solle den Menschen auch noch Spaß machen.
überarbeitet am: Mittwoch, 25. Oktober 2023